Material > Für eine zivile Verfassung Europas (2004)
Im März 2004 fand in Frankfurt eine Konferenz unter folgendem Motto statt:
Aus der Konferenz ging eine Resolution hervor, die auch heute hochaktuell ist, denn an dem Verfassungsvertragsentwurf hat sich bis heute nichts geändert!
Die Abschlussresulution als PDF
Abschlussresolution der Konferenz "Für eine zivile Verfassung Europas - Friedensbewegung gegen diesen Verfassungsentwurf" vom 27.3.2004 in Frankfurt.
Der Entwurf einer "Verfassung für Europa" führt zu einer neuen Qualität in der Militär- und Rüstungspolitik der EU: So verpflichten sich "die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Artikel I-40); eine Aufrüstungsverpflichtung, die es in keiner anderen Verfassung gibt. Sie wird unterstützt durch ein neues "Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" (Art. I-40 Abs. 3). Die Mitgliedstaaten verpflichten sich auch zu "Kampfeinsätzen als Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet" (Art. III-210), also etwa im Hindukusch - ein extrem weit gefasstes Mandat mit völlig offener Grenzziehung. Weiter: "Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat" (Art. I-40; III-205). Das EU-Parlament ist von Mitsprache und Mitentscheidung ausgeschlossen. Eine gerichtliche Kontrolle der Beschlüsse durch den Europäischen Gerichtshof ist durch die Verfassung untersagt (Art. III-282).
Die Friedensbewegung lehnt eine solche Verfassung ab.
Im Vorgriff auf Art. I-42 haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 25. März 2004 bereits verpflichtet, alle ihnen "zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der ... militärischen" zu mobilisieren, um terroristischen Bedrohungen "vorzubeugen". Die Friedensbewegung lehnt diesen Beschluss ebenfalls ab: Soldaten taugen nicht zur "Vorbeugung" gegen Anschläge. Diese funktioniert letztlich nur durch die Bekämpfung der Ursachen des Terrors. Krieg ist kein Mittel gegen Terror - Krieg ist Terror.
Der Ministerrat entscheidet autonom, ohne parlamentarische oder gerichtliche Kontrolle. Stimmt Deutschland im Ministerrat zu, sind Bundestag und Verfassungsgericht de facto präjudiziert. Der Rechtsstaat existiert nur noch auf dem Papier.
Nach dem Grundgesetz darf die Bundeswehr aber nur für die Verteidigung oder im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme eingesetzt werden (Art. 25, 87a GG). Über die Ausstattung der Bundeswehr entscheidet der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber, über ihre Einsätze nach unserer Verfassungsordnung der Bundestag als zuständiges Organ.
Alternativen zu dem Irrglauben, Militär und Kriege könnten Konflikte lösen, nämlich ein Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung, sind nur im Ansatz vorhanden. Vor allem darf die zivile Konfliktbearbeitung nicht nur der Nachsorge und der nachträglichen Legitimierung von Militäreinsätzen dienen.
Hinzu kommt, dass die Regelung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung den Einzelstaaten vorbehalten bleibt, die EU also die von Staat zu Staat unterschiedlichen Repressionen gegenüber Kriegsdienstverweigerern legitimiert.
Die Teilnehmer der Konferenz begrüßen das Ziel des Verfassungsentwurfs, den Frieden zu fördern (Art. I-3). Sie fordern aber anstelle einer Militarisierung ein konsequentes Bekenntnis zur zivilen Konfliktbearbeitung als Ziel der Union und die Bereitstellung der Mittel hierfür. Das unsinnige Amt für Rüstung und Forschung und die Verpflichtung zur Aufrüstung muss gestrichen werden. Stattdessen sollen ein EU-Beauftragter für Rüstungskontrolle, Abrüstung und zivile Konfliktbearbeitung ernannt und folgende Regelungen in der Europäischen Verfassung getroffen werden:
Die Ächtung des Krieges als Instrument der Politik ist mit dem Briand-Kellog-Pakt bereits geltendes Völkerrecht. Das Verbot von Massenvernichtungswaffen basiert auf dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zu Atomwaffen (1996), auf Art. 6 des Non Proliferation-Treaty (NPT) und auf den Konventionen zu biologischen und chemischen Waffen.
Wenn für zivile Konfliktbearbeitung nicht ausreichende Strukturen bereit stehen, ist ein Rückfall auf militärische Mittel wahrscheinlich. Der Versuch, die militärische Stärke der USA zu erreichen, muss scheitern. Die EU sollte stattdessen auf zivile Konfliktbearbeitung setzen. Wir schlagen vor, dass Europa Konfliktschlichtung mit Ausrichtung auf die Etablierung rechtsstaatlicher Strukturen betreibt. Das ist menschlicher und kostengünstiger als militärische Intervention, führt nicht zu Opfern an Menschenleben und zu Zerstörung und schafft hoch qualifizierte Arbeitsplätze.
Die EU-Verfassung geht jeden an: Wir fordern ein Referendum über eine demokratisch entwickelte und rechtsstaatliche Verfassung.